Gut gerechnet
Mathematik und die Grenzen des Universums: Wie Zahlen die Realität formen (oder nicht)
Die Mathematik ist eine großartige Sache. Seit Jahrtausenden hat sie sich ständig weiterentwickelt. Angefangen mit Pythagoras, der Regeln für die Winkel von Dreiecken erkannte, bis hin zur Integralrechnung hat sich viel getan. Mittlerweile kann fast jeder natürliche Vorgang vorausberechnet werden. Und wenn es doch noch hapert, dann nur aufgrund zu hoher Komplexität des Vorgangs. Mit leistungsfähigeren Rechnern ließe sich vermutlich das Verhalten jedes einzelnen Teilchens in einem Wirbelsturm berechnen. Wer hier Einspruch erhebt, will meist auf die Tatsache hinweisen, dass in einem Wirbelsturm noch zu viele Konstanten unbekannt wären und so kein präzises Ergebnis erwartet werden könne. Der Einwand ist berechtigt, auf die Mathematik selbst fällt dabei jedoch kein Schatten. Wären die Konstanten bekannt, würde die Mathematik den Rest schon erledigen.
Das Wesen der Mathematik ist schwer zu fassen. Ihre Regeln scheinen in der Natur selbst gegründet zu sein. Sie gelten überall und immer. Der letzte Winkel des Universums, der noch nie in das Blickfeld eines Teleskops gerückt ist, folgt trotzdem ihren Regeln. Auch weit hinter der Magellanschen Wolke ist eins und eins immer noch zwei. Und dabei ist die Mathematik nicht einmal wirklich existent. Nirgendwo sind diese allgemeingültigen Regeln hinterlegt. Sicher, auf der Erde stehen die Regeln in jedem Mathematikbuch. Aber woher weiß der explodierende Stern am Rande der Magellanschen Wolke, dass er die Temperatur seiner Supernova auf den mathematisch berechenbaren Wert von über 500 Milliarden Kelvin hochzuschrauben hat? Keine diesbezügliche Anfrage ist hierzu bei unseren Mathematikern eingegangen und doch beachten die Sterne dieses Universums unsere mathematischen Regeln.
Bitte nicht falsch verstehen, ich glaube nicht im Ernst, dass solche Prozesse vorher berechnet werden. Wer sollte das tun? Im Vergleich zu unseren mathematischen Modellen geschehen die Dinge in der Natur eben nicht nach mathematischen Regeln, sondern quasi von selbst aufgrund von Kräften, die auf die beteiligten Teilchen und Energien einwirken. Die Mathematik ist letztendlich nur eine Theorie, die die natürlichen Vorgänge beschreibt. Wie jede Theorie behält sie ihre Gültigkeit nur, solange sie nicht widerlegt worden ist. Erstaunlich, dass das in den letzten 3000 Jahren nicht gelungen ist. Die Mathematik muss schon ziemlich nah an den wirklichen Wirkprinzipien dieser Welt liegen.
Wenn aber natürliche Prozesse nicht der Mathematik folgen, woher weiß dann ein beliebiges Teilchen eines beliebigen Prozesses seinen nächsten Aufenthaltsort? Nehmen wir ein Photon, welches, ausgehend von der erwähnten Supernova, mit Lichtgeschwindigkeit auf uns zukommt. Stoppen wir dabei einfach einmal die Zeit. Das Photon befindet sich nun an einem bestimmten Punkt. Wenn ich die Zeit wieder starte, wechselt das Photon gemäß den auf es einwirkenden Kräften zum nächsten Punkt. Muss, damit dies geschehen kann, nicht irgendeine Art von Informationen auf das Photon einwirken, damit dieses nicht den falschen Punkt ansteuert? Muss nicht auch eine Kraft erst einmal zu wirken beginnen?
Passiert unser Photon auf seiner Reise durch das All zum Beispiel einen Batzen dunkler Materie, so wird seine Bahn, glaubt man den Astrophysikern, abgelenkt. Aber wenn die Lichtgeschwindigkeit doch die maximale denkbare Geschwindigkeit im Universum ist, wann soll die Information über den Grad der Ablenkung dann ausgetauscht werden? Müsste die Information dann nicht mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden, um rechtzeitig wirken zu können? Und müsste unser Photon, durch die zurückliegenden Massen von dunkler Materie, dann nicht auch abgebremst werden? Gibt es eigentlich langsameres Licht???
Hier wird das Eis unter meinen Füßen doch langsam zu dünn. Ich könnte ja Harald Lesch fragen. Aber der würde sich vermutlich schlapp lachen.